Ich habe meine eigene Firma seit nunmehr 20 Jahren und bin seit 30 Jahren in Deutschland. 

Ich habe in meinem Leben schon mit wahnsinnig vielen großartigen Leuten Projekte gestemmt, Produktfertigstellungen entgegengefiebert und für unrealistische Projektpläne unkonventionelle Lösungen finden müssen. Und ich habe viele Trainings besucht und einige mehr selbst gehalten. Egal ob als Lernender oder Lehrender – ich habe immer neue Erkenntnisse gewonnen. Aber noch nie war eines meiner Trainings so emotional mitreißend wie unsere Design Sprint Trainings. Daher möchte ich heute ein paar Zeilen darüber schreiben, warum ich Design Sprint Master Trainings von Herzen liebe:

 

In unseren Kursen gibt es Teilnehmer, die sich bereits in die Literatur eingelesen haben, Videos oder Podcasts geschaut und Websites und Blogs zu diesem Thema besucht haben. Andere kommen aus dem Design Thinking oder folgen in der täglichen Arbeit agilen Softwareentwicklungsprozessen als Product Owner, Software Entwickler oder UX-Designer. Alle haben etwas gemeinsam: Sie interessieren sich für das Framework, haben es aber bisher nur theoretisch durchdrungen und haben keine Idee, wo sie wie ansetzen sollen, um es praktisch kennenzulernen. Es fehlt an einer geschützten Umgebung, denn ohne Erfahrung ist man als Moderator sehr allein auf weiter Büro-Flur und für den günstigen Ausgang des Sprints hauptverantwortlich – zumindest in den Augen der Budgetgeber.

 

Wir führen Design Sprints Trainings in 3 Sprachen weltweit durch. Egal ob wir es auf Englisch, Spanisch oder Deutsch durchführen, die Leute sind immer sehr angetan und dankbar, alle fünf Phasen nicht nur vorgestellt und erzählt zu bekommen, sondern das Sprint-Vorgehen hautnah zu erleben: Die Dynamik in der Gruppe, das Time-Boxing, das Voting, die für gut und nachvollziehbar oder unverständlich empfundenen Entscheidungen des Deciders. Und vor allem: Das Prototypen! Ohne Vorkenntnisse. Ohne Designer-Skills. Ohne rettende Design-affine Kollegen. Und die Aufregung, das teil-funktionsfähige Ergebnis einem User vorstellen und das Feedback annehmen zu müssen. Design Sprints sind ein Framework, bei dem sich niemand verstecken kann und sich jeder einbringen muss, wenn man ein gemeinschaftlich vorzeigbares Ergebnis schaffen möchte. Daher verliert das Training schon nach kurzer Zeit seine Abstraktheit, man verlässt die typische Ich-sitze-am-Tisch-und-höre-zu-Situation und geht im Team und der gegebenen Fragestellung auf.

Bereits in der Phase 1 (Verstehen) setzen sich die Teilnehmer mit einem User auseinander, verarbeiten Informationen zu einem bestimmten Thema, das sie von Anfang bis Ende des Sprint-Frameworks bearbeiten müssen und das sie nicht mehr loslässt. Sie führen Expert-Interviews durch und erfahren, wie wichtig es ist, damit How-Might-We-Fragen zu erstellen und all die verschiedenen Informationen zu konsolidieren und zu überprüfen. Sie lassen sich auf das Vorgehen ein und tauchen ab in das Thema. Am spannendsten zu sehen: Während ich in anderen Trainings immer wieder Teilnehmer verstohlen auf die Uhr oder ihr Handy gucken sehe, ist mir das bisher in keinem Sprint-Kurs passiert. Nicht ein einziges Mal.

 

In der zweiten Sketch-Phase eröffnen sich dann bei den Lightning-Demos Welten und eine enorme Vielfalt an Lösungen für ein einziges Problem. Waren die Teilnehmer bis dahin noch skeptisch, welchen Mehrwert der ganze Sprint wohl bringen könnte, wo das Problem doch recht klar und damit in seiner Lösung auch einfach und geradlinig beseitigbar wäre, so beginnt hier das Staunen und die eigene Phantasie kommt in Bewegung. Der Begriff „Steal with pride“ und die damit verbundene Aufforderung zum hemmungslosen Ideenklau beflügelt bei manchem Teilnehmer so sehr die eigene Kreativität, dass sie sich von reservierten Teammitgliedern in die größten Kreativ-Diebstahl-Evangelisten verwandeln. Die Crazy 8s inspirieren sie dann in der Tat zu den abgedrehtesten Entwürfen und dem größten Stöhnen über die Herausforderungen an die eigene Belastbarkeit. Es ist als Trainer wahnsinnig schön zu wissen, an diesem Punkt die gesamte Energie, die sich anstaut und hier in Frust und Überforderung umschlagen könnte zu nutzen und auf die Befreiung und Zufriedenheit umzulenken, die sich am Ende des ersten Trainingstages mit der Vollendung der eigenen Lösungsskizze einstellen. Dabei empfinde ich neben dieser Befreiung als Trainer auch immer ein bisschen Ehrfurcht, welche innovativen Lösungen die Teilnehmer entwickeln. Es ist eine sehr schöne, befriedigende Erfahrung auch für den Dozenten.

 

Wenn wir am zweiten Tag in die 3. Phase einsteigen und die Teilnehmer zum ersten Mal die Art Gallery mit all ihren Arbeiten sehen können, machen die meisten große Augen und verstehen zum ersten Mal abseits jeder theoretischen Befürwortung des Sprint-Frameworks, die sie gelesen haben, dass die Arbeit allein aber doch als Gruppe die richtigen Weichenstellungen für den weiteren Verlauf des Design Sprints bringt. Sie schlendern wirklich wie in einer Ausstellung zwischen den Sketches umher und verbringen vor einigen viel und vor anderen wenig Zeit. Als Dozent kann ich inzwischen ganz ohne Heatmap-Klebepunkte aus der Mischung aus Körpersprache und Verweildauer herauslesen, welche Lösungsskizzen ankommen und welche weniger Punkte versammeln werden. Jeder Sketch wird im Rahmen der Speed-Critique nochmal dargestellt – an der individuellen Affinität für die ein oder andere Lösung ändert dieser Schritt jedoch in der Regel wenig. Es hilft aber, dem Team noch einmal vor Augen zu führen, was sie in so kurzer Zeit zu einem völlig unbekannten Thema beitragen und erreichen konnten. Probeabstimmung und die schon auf das Prototyping gerichtete Entscheidung für eine Lösung bringt dann bis dahin versteckte Affinitäten und Aversionen bestimmten Ideen gegenüber zum Vorschein, die sich bis dahin nicht äußern ließen. Dies führt aber nie zu einer negativen Atmosphäre, viel mehr zeigt es das Engagement und die in den letzten beiden Tagen exorbitant gewachsene Identifikation der Trainingsteilnehmer mit ihrem Projekt. Ein großartiges Erlebnis, warum ein Team immer mehr ist als die Summe seiner Mitglieder. Das Storyboard fängt meistens einen Teil von Enttäuschungen auf, wenn zuvor abgewählte Elemente sich doch ganz klein und versteckt wieder in die Lösung mogeln, weil ihre Praktikabilität unschlagbar war oder ein Entscheider seine Entscheidung bereitwillig aufweichen lässt. Das schöne in einem Training gegenüber einem realen Design Sprint ist es, dass man die Moderatoren-Rolle auch schleifen lassen kann, denn gerade an den Beispielen, wenn man das Framework aus dem Ruder laufen lässt, kann man einige Prozessschritte später an der Korrektur am besten erklären, warum man dem Framework folgen sollte und was es so erfolgreich macht.

 

Beim Prototypen zeigt sich, wie eingespielt das Team nach eineinhalb Schulungstagen schon ist. Jeder hat eine Aufgabe und eine gemeinsame Zielsetzung; der Prototyp muss in kurzer Zeit für eine Probe bereitgestellt werden. Der Kraftaufwand im Team ist enorm. Jeder arbeitet fieberhaft daran. Es bestehen grundsätzlich Zweifel, ob sich das leisten lässt und in jedem Training erlebe ich ein Happy End: Das Team schafft es immer. Wie in einem richtig guten Kinofilm: Anstrengung, Spannung, ob sich alles gelohnt hat und befreiendes Ende. Ich liebe jedes Mal diese Atmosphäre. Manchmal hat es Gänsehaut-Potential.

Die Anspannung hält bis zum Interview des Users in der letzten Phase des Design Sprints. Das Team verfolgt die Vorstellung „seines Babys“ jede Sekunde. Die Teilnehmer sind so involviert, dass sie über weitere Entwicklungen des Produktes sprechen und sich Gedanken über Verbesserungen machen. Sie sind so in das Projekt eingetaucht, dass sie vergessen haben, dass es „nur“ ein Training ist, das ihnen das Framework nahebringen soll. Ich als Trainer habe nach den zwei Tagen immer ein Lächeln auf den Lippen. Es ist großartig zu sehen, wie die Teilnehmer das Ganze ernstnehmen und sich in das Thema und das eigene frisch geschaffene Produkt verliebt haben.

 

Deswegen werde ich dieses Training auch weiter in zwei Tagen machen und nicht in einem preiswerteren, komprimierten Tageskurs herunterreißen.

 Ich möchte, dass die Teilnehmer alles erleben. Erschöpft aber mit einem Lächeln, weil sie zufrieden mit der eigenen und der Leistung des Teams sind.